In der Türkei kam im 19. Jahrhundert eine Verfassung zum ersten Mal auf die Tagesordnung. Die erste Verfassung wurde in der letzten Zeit des Osmanischen Reiches, im Jahr 1876 ausgerufen. Die Verfassung von 1921 ist die zweite türkische Verfassung, die während des nationalen Befreiungskrieges ausgerufen wurde und deren Regelungen die Kriegsumstände berücksichtigten. Während der Republikszeit wurden drei Verfassungen verabschiedet. Die erste Verfassung der Republik Türkei wurde 1924, die zweite 1961 und die dritte, die heute noch gültig ist, 1982 verabschiedet.
Wie in allen zeitgenössischen Demokratien gilt auch in der Türkei das Prinzip der Gewaltenteilung. In der Präambel der Verfassung, in der die Grundlagen der Staatsordnung beschrieben werden und die zum Text der Verfassung gehört, wird unterstrichen, daß die Gewalteinteilung nicht eine Einstufung der Verfassungsorgane nach Vorrang, sondern eine mit der Befugnis und den Aufgaben bestimmter Verfassungsorgane begrenzte Aufgabenverteilung und Kooperationsregelung ist. Die 1924 verabschiedete erste Verfassung der Republik Türkei sieht keine Gewalteinteilung vor. Aber diese Verfassung sieht das Prinzip der Volkssouveränität vor. Nur ist die Ausführung der Souveränität dem Parlament überlassen worden. Zwar heißt es in der Verfassung von 1924, daß ein Gesetz nicht gegen die Verfassung verstoßen darf. Doch ist das Aufsichtsorgan dafür, nämlich das Verfassungsgericht, nicht vorgesehen. Nach dem Übergang zum Mehrparteiensystem 1946, sowie nachdem die alte Führung nach den demokratischen Wahlen von 1950 auf die Oppositionsbänke kam, waren offensichtlich immer noch nicht alle Probleme gelöst. Es wurde eine Kontrolle des Parlaments notwendig. Dieses Problem wurde zuerst von Intellektuellen zur Sprache gebracht; später wurde es auch von politischen Parteien akzeptiert. In der Verfassung von 1961 wurde zum ersten Mal das Prinzip der Gewalteinteilung akzeptiert und das Verfassungsgericht gegründet. Somit gewann auch der Artikel, wonach Gesetze nicht gegen die Verfassung verstoßen können, an Bedeutung.
Der Verfassung nach geht die Souveränität bedingungslos vom Volk aus. Das Volk übt die Souveränität im Rahmen der in der Verfassung vorgesehenen Prinzipien durch Wahlen direkt und über betreffende Organe indirekt aus. Die Legislative, Exekutive und Jurikative sind Organe, die Souveränität ausüben. Das gesetzgebende Organ ist allein die Große Türkische Nationalversammlung; die vollziehende Gewalt übernehmen der Staatspräsident und der Ministerrat im Rahmen der Verfassung und der Gesetze. Die Rechtsprechung übernehmen unabhängige Gerichte.
Das Prinzip der Gewalteinteilung wird in der Türkei durch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit realisiert. Dieses Prinzip gibt der Justiz im staatlichen und gesellschaftlichen Leben eine gewisse Überlegenheit. Die Macht in der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt wird in Folge der Überlegenheit der Justiz durch die Rechtsprechung eingeschränkt und ins Gleichgewicht gebracht. Die Tätigkeiten der Legislative und Exekutive stehen unter Aufsicht der Justiz. Somit wird in der staatlichen Verwaltung die Demokratie gewährleistet und gewahrt. Die Verfassung enthält die Regeln dieser Ordnung. Die bindenden und übergeordneten Regelungen in der Verfassung sind die grundlegenden Rechstbestimmungen, die für Legislative, Exekutive und Justiz bindend sind. Die Hierarchie unter den Normen verhindert einen Widerspruch zwischen den untergeordneten und den höherrangigen Normen. Die Beschlüsse des Verfassungsgerichtes sind für alle gesetzgebende, vollziehende oder juristische Organe, für die politische Führung und für alle natürlichen und juristischen Personen bindend. Diese Beschlüsse legalisieren die Arbeiten der Regierung.