Die Rechtsordnung der Türkei wird durch die Verfassung, durch Gesetze und durch Verwaltungsakte (Satzungen, Verordnungen, Regierungsbeschlüsse) geregelt. Die Verwaltung trägt ebenfalls durch regelnde Maßnahmen (allgemeine Bekanntmachungen, Zirkulare, Anweisungen zur Umsetzung des Haushalts) zur Rechtsordnung bei. Die regelnden Maßnahmen der Exekutive und der Verwaltung können sowohl allgemein sein, sodaß sie alle staatlichen Organisationen umfassen, als auch nur bestimmte Themen, Anstalten, lokale Verwaltungen oder autonome Institutionen umfassen.

Gemäß Verfassung haben Regelungen der inkraft getretenen internationalen Abkommen Gesetzeskraft. Die Erhebung einer Anklage beim Verfassungsgericht mit der Behauptung, ein internationales Abkommen sei verfassungswidrig, ist nicht möglich. Internationale Abkommen, die Gesetzeskraft haben und entsprechend den gültigen Bestimmungen inkraft getreten sind, werden direkt als internes Recht umgesetzt. Da jedoch internationale Abkommen in der Verfassung nicht als ein Teil der Verfassung ausgewiesen sind, können sie bei der verfassungsmäßigen Aufsicht nicht als Norm betrachtet werden. Dafür ist eine Verfassungsänderung nötig. Doch das Verfassungsgericht räumt allgemeinen Rechtsprinzipien gegenüber den Regelungen des internen Rechtes Vorrang ein und erwähnt bei der Begründung seiner Urteile die gesetzmäßig inkraft gesetzten internationalen Abkommen.

Der wichtigste Errungenschaft der Republikszeit ist die Annahme einer laizistischen Rechtsordnung gemeinsam mit dem Prinzip des Laizismus. In den Gründungsjahren der Republik hat man sich für die Annahme eines Rechtssystems entschieden, das westliche Vorbilder mit einigen Änderungen übernimmt, da die Etablierung die Aufstellung eines gänzlich neuen Rechtssystems, das alle Gebiete der türkischen Justiz umfaßt, der grundlegenden Ideologie der Republik entspricht und auf laizistischen Prinzipien beruht, eine sehr lange Zeit in Anspruch genommen hätte. So nahm man für das bürgerliche Recht und das Obligationsrecht das schweizerische bürgerliche Recht zum Vorbild; beim Zivilprozeßrecht waren das Prozeßrecht im schweizerischen Neuchâtel, beim Strafrecht das italienische Strafrecht, beim Strafprozeßrecht das deutsche Strafprozeßrecht, und beim Handelsrecht die deutschen, englischen, japanischen und sogar brasilianischen Gesetze Vorbild. Die veralteten Artikel dieser Gesetze wurden im Laufe der Zeit aktualisiert. Das Verfassungsgericht erwägt insbesondere die Annullierung einiger Artikel des bürgerlichen Rechts, welche gegen die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verstoßen.

Sowohl das Zivilrecht als auch das Handelsrecht haben seit Beginn ihrer Anwendung nichts von ihrem liberalen Geist verloren. In beiden Rechtssystemen gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit.

Die universalen Prinzipien des Strafrechtes gelten genau wie in der Verfassung auch im Strafgesetz: Eine Tat kann nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dem Strafrichter ist es daher verboten, Strafbarkeitslücken durch Anwendung von Rechtsvorschriften für ähnlich gelagerte Fälle zu schließen. Falls das während der Tat gültige Gesetz später geändert worden ist, macht der Richter aus dem Gesetz Gebrauch, das im Interesse des Täters steht. Solange die Schuld nicht bewiesen ist, gilt jeder als unschuldig. Niemand kann eine höhere Strafe erhalten, als die, die für die Straftat bestimmt ist. Die Strafverantwortung betrifft die Person.

Die Beschränkung der Freiheit der Person ist allein durch Gesetz möglich. Der Richter entscheidet über einen Haftbefehl sowie über die Haftdauer. Ohne richterliches Urteil kann eine Person nur dann festgenommen werden, wenn sie bei frischer Tat ertappt werden sollte oder wenn die Hinauszögerung der Festnahme nachteilig ist. Die festgenommenen oder gefaßten Personen werden über den Grund ihrer Festnahme informiert; die Verwandten werden benachrichtigt. Falls es sich um ein Verbrechen aus dem Aufgabenbereich der Staatssicherheitsgerichte handelt, wird die Person innerhalb von 48 Stunden, bei anderen Verbrechen innerhalb von 24 Stunden und bei gemeinsamen Delikten innerhalb von 15 Tagen vor Gericht gestellt. Niemand kann ohne richterliches Urteil länger als die oben genannte Dauer aufgehalten werden. Die genannte Dauer kann beim Ausnahmezustand oder in Kriegszeiten verlängert werden.

Jeder hat das Recht, als Kläger oder Ankläger eine Behauptung aufzustellen oder sich zu verteidigen. Dieses Recht ist in der Verfassung vorgesehen und zählt zu einem wichtigen Bestandteil des Rechtsstaates. Niemand kann außer vor das Gericht, an das er gesetzlich gebunden ist, vor eine Instanz gestellt werden. Die Rechtsprechung führen allein Richter durch. Richter und Staatsanwälte üben die ordentliche und verwaltungsmäßige Gerichtsbarkeit aus. Richter und Staatsanwälte können nicht vor dem 65. Lebensjahr in den Ruhestand versetzt oder entlassen werden, solange sie es nicht selber wollen. Auch falls ein Gericht oder das Amt aufgehoben werden sollte, erhalten Richter und Staatsanwälte weiterhin ihren Lohn, ihre Zahlungen und wahren ihre Sozialrechte.

Die ordentlichen Gerichte haben zwei Instanzen. Mit Ausnahme der Gerichte mit besonderen Zuständigkeiten finden gerichtliche Prozesse in erster Instanz vor dem Amts- und Landgericht statt. Die speziellen Gerichte sind Straf-, Arbeits-, Kinder-, Verkehrs-, Kataster-, Handels- und Staatssicherheitsgerichte. Bei Strafprozessen kann gegen das Urteil beim Kassationsgericht Revision eingelegt werden. Das Kassationsgericht besteht aus der Straf- und Zivilkammer. Ferner gibt es Straf- und Zivilvollversammlungen. In der Türkei gibt es keine Zwischen-Berufungsgerichte. Für Prozesse innerhalb des Militärbereichs sind gemäß Verfassung Militärgerichte vorgesehen. Die Prozesse finden vor Militärgerichten statt, Revision ist beim militärischen Kassationsgericht einzulegen.

Bürger und öffentliche Verwaltung

Im Rahmen des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit heißt es in der Verfassung, daß sich die Bürger gegen jegliche Tätigkeiten und gegen jegliches Vorgehen der Verwaltung an die Gerichtsbarkeit wenden können. Nur vom Staatspräsidenten durchgeführte Handlungen, Beschlüsse des Militärrates sowie des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte stehen nicht unter gerichtlicher Aufsicht. Anklage gegen Akte und Vorgehensweisen der Verwaltung sind bei Verwaltungsgerichten zu erheben. Auch Verwaltungsgerichte haben zwei Instanzen. Mit der Neuregelung in der Verfassung von 1982 wurden Verwaltungs-, Regionalverwaltungs- und Steuergerichte gegründet. Die Verwaltungs- und Steuergerichte sind Gerichte der ersten Instanz. Die Regionverwaltungsgerichte können in gewissen Fällen auch zweite Instanz sein. Letzte Instanz bei Verwaltungsprozessen ist das Oberste Verwaltungsgericht.

Die Verfassung sieht auch die Gründung eines militärischen Oberverwaltungsgerichtes vor. Dieses Oberverwaltungsgericht ist bei den Tätigkeiten der militärischen Behörden, bei Streitigkeiten oder Tätigkeiten, in die militärisches Personal involviert ist, die erste und letzte Instanz.

Menschenrechte und kurdischstämmige Bürger

In der Türkei leben gegenwärtig rund 8 Millionen kurdischstämmige Bürger, 40% davon im Westen des Landes. Die ethnische Unterscheidung zwischen Kurden und Türken hat eigentlich in der Türkei keine historische und gesellschaftliche Grundlage. In der osmanischen Zeit gab es mehrere turkmenische Volksstämme mit kurdischen Namen. Darauf basierend haben mehrere westliche Historiker, wie Alishan oder Minorsky, die Kurden als einen türkischen Volksstamm bezeichnet. Kurdischstämmige Soldaten nahmen am Nationalpakt teil und kämpften im Ersten Weltkrieg und im folgenden Nationalen Befreiungskrieg gegen die Besatzungsmächte an den verschiedenen Fronten. Im Lausanner Friedensvertrag von 24. Juli 1923, der die Existenz des türkischen Staates international belegte, wurden Nicht-Moslems als Minderheiten in der Türkei bezeichnet. Zwischen Moslems ist eine Unterscheidung in Form einer Minderheit, ganz abgesehen von der juristischen Seite, schon als Begriff unverständlich, da es sich hier um Gesellschaften handelt, die über Jahrhunderte niemals ethnisch unterschieden haben. In diesem Rahmen gilt eine Diskriminierung als künstlich, da die kurdischstämmigen Bürger den Grundbestandteil der Türkischen Republik bilden.

Alle türkischen Staatsbürger sind, unabhängig von ihrer ethnischen Abstammung, Türken. Diese Auffassung bildet kein Hindernis dafür, daß im Alltag oder im kulturellen Leben die betreffende Sprache oder ethnische Identität verwendet wird. Es liegt kein Verbot von, in kurdischer Sprache veröffentlichten Büchern, Zeitschriften und Zeitungen vor, unter denen sich auch die Veröffentlichungen der PKK-Anhänger befinden. Trotz dieser Freiheiten drücken sich sogar der PKK nahestehende kurdischstämmige Bürger wegen der zahlreichen kurdischen Dialekte und geringer Nachfrage nach kurdischen Veröffentlichungen in Türkisch aus, was äußerst bemerkenswert ist.

Artikel 10 des türkischen Grundgesetzes macht alle Menschen, ohne Unterscheidung von Sprache, Religion, Rasse, Hautfarbe, Geschlecht und politische Meinung vor dem Gesetz gleich und schließt die Begünstigung einer Person, Familie, Gruppe oder eines bestimmten Kreises gänzlich aus. Entsprechend dieses Artikels wird im sozialen Leben und bei offiziellen Vorgängen zwischen türkischen Bürgern nicht nach ihrer ethnischen Abstammung unterschieden. Kurdisch-stämmige Bürger, können wie alle anderen Bürger mit anderer ethnischer Abstammung in allen Gebieten der Türkei leben, selbstständig arbeiten, einen Beruf erlernen, aus ihrem aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch machen und im öffentlichen Dienst arbeiten. Ein drittel des türkischen Parlaments besteht heute aus kurdischstämmigen Bürgern, die in verschiedenen Parteien tätig sind.

Behauptungen, wonach es in der Türkei eine Unterdrückung gibt, die Gewaltanwendung gerechtfertigt, entbehren jeder Grundlage. Wegen der Gewalttaten der Terrororganisation PKK entstand in Ostund Südostanatolien im Hinblick auf die Sicherheit eine Notstandssituation. Obwohl auch in westlichen Landesteilen eine Großzahl von kurdischstämmigen Bürgern leben, konzentrieren sich die Behauptungen über Menschenrechtsverletzungen auf die Gebiete, in denen sich auch die Tätigkeiten der Terrororganisation PKK konzentrieren, was die Schwächung des Kampfs gegen die Aktivitäten der Terrororganisation PKK zum Ziel hat. Der Kampf gegen die marxistischleninistische Ideologie und gegen die gewalttätige Terrororganisation PKK wird geführt, um die Einheit des Staates und die Wahrung der demokratischen Verfassungsordnung zu schützen.

Wie in zahlreichen Entwicklungsländern und sogar in entwickelten Staaten herrschen auch in der Türkei soziale und wirtschaftliche Unterschiede zwischen Regionen. Die Hauptgründe dieser Unausgeglichenheit sind die ungünstigen geographischen und klimatischen Bedingungen in den ost- und südostanatolischen Gebieten. Außerdem ist die wirtschaftliche und kulturelle Infrastruktur in dieser Region unzureichend.

Trotz der Förderungen der Regierungen sowie der niedrigen Steuerpolitik sind die Investitionen des Privatsektors in diesem Gebiet langfristig begrenzt geblieben. Die Behauptungen, wonach die Region wirtschaftlich diskriminiert wird, sind völlig falsch. Der Staat hat in dem Gebiet bedeutende Investitionen verwirklicht, wobei der öffentliche Sektor häufig den Platz des Privatsektors einnahm. Das Südostanatolische Projekt (GAP) ist hierfür das beste Beispiel. Dieses Projekt ist eines der umfangreichsten und verheissungvollen Projekte, das von Staaten auf der Welt verwirklicht worden ist.