Im Rahmen der Gewaltenteilung sind in der Verfassung die Tätigkeiten der Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung sowie die Aufgaben und Befugnisse einiger staatlicher Institutionen geregelt.
Die Legislative
Die Große Türkische Nationalversammlung besteht aus 550 Abgeordneten. Die Abgeordnetenwahlen finden alle fünf Jahre statt. Das Parlament kann über vorgezogene Wahlen, der Staatspräsident in bestimmten Fällen über die Wiederholung von Wahlen entscheiden. Das Parlament kann im Kriegsfall die Wahlen um ein Jahr verschieben. Zur Besetzung leerer Sitze im Parlament können in jeder Wahlperiode einmal Zwischenwahlen abgehalten werden.
Die Abgeordneten des Parlaments werden in freier, gleicher, geheimer, unmittelbarer, allgemeiner Wahl mit öffentlicher Auszählung und Registrierung unter Leitung und Aufsicht der Rechtsorgane gewählt. Zum Thema Wahlen hat der "Hohe Wahlrat" das letzte Wort. Der Hohe Wahlrat besteht aus Mitgliedern des Kassationsgerichtes und des Staatsrates.Von Ausnahmefällen abgesehen hat jeder türkischer Staatsbürger ab 18 Jahren das aktive und jeder türkische Staatsbürger ab 30 Jahren, der eine Grundschule abgeschlossen, hat das passive Wahl- recht. Der Wahlmodus wird durch ein Gesetz bestimmt. Dieses Gesetz muß die Prinzipien der Gerechtigkeit in der Vertretung und Stabilität in der politischen Führung beachten. Diese zuvor vom Verfassungsgericht beschlossenen Prinzipien wurden bei der letzten Verfassungsänderung vom 23. Juli 1995 in die Verfassung aufgenommen.
Die Abgeordneten vertreten das ganze Volk und legen bei ihrer Amtsübernahme einen Eid ab, dessen Text in der Verfassung steht. Die Abgeordneten verfügen bezüglich ihres Stimmverhaltens und ihrer Meinungsäußerungen bei ihren Arbeiten im Parlament über Immunität. Gegen einen Abgeordneten, mit Ausnahme, wenn er auf frischer Tat ertappt wird, kann erst nach der Aufhebung der Immunität durch das Plenum des Parlaments ermittelt werden, und Strafen treten erst nach Beendigung ihrer Tätigkeit als Abgeordnete in Kraft.
Ein Abgeordneter kann außer durch gerichtliches Urteil auch mit Entscheidung des Parlaments des Amtes enthoben werden. Falls ein Abgeordneter durch seine Erklärungen und sein Handeln die Schließung seiner Partei seitens des Verfassungsgerichtes veraursacht, wird er ebenfalls seines Amtes enthoben.
Falls ein Abgeordneter aus seiner Partei austritt, setzt er sein Mandat als unabhängiger Abgeordneter fort. Für einen Rücktritt als Parlamentarier aus eigenem Willen ist die Zustimmung des Plenums notwendig. Für eine Annullierung von Beschlüssen über die Aufhebung der Immunität oder die Entlassung als Abgeordneter kann der betreffende Abgeordnete sich an das Verfassungsgericht wenden.
Die Aktivitäten des türkischen Parlaments finden im Rahmen einer Satzung statt. Die Verfassung und die Satzung sehen die Bildung von Ausschüssen im Parlament vor. Je nach Thema gibt es unterschiedliche Ausschüsse. Die Ausschüsse führen Vorbereitungsarbeiten durch; entschieden wird in der Vollversammlung des Parlaments. An den Petitionsauschuß kann sich jeder Bürger mit Bitten und Beschwerden wenden.
Das Parlament hat neben seinen in der Verfassung festgelegten Pflichten und Befugnissen auch andere Aufgaben wie die Verabschiedung, Änderung oder Annullierung von Gesetzen, die Kontrolle des Ministerrates und der Minister, und die Verabschiedung des Haushalts- und Staatshaushaltsgesetzentwurfs. Das Parlament kann auch den Ministerrat dazu befugen, einen Regierungsbeschluß zu fassen. Ferner entscheidet das Parlament über die Ausgabe von Banknoten, die Ausrufung des Kriegszustandes oder des Ausnahmezustandes, stimmt internationalen Abkommen zu, ruft eine teilweisige oder allgemeine Amnestie aus und entscheidet, ob ein von einem Gericht gefälltes Todesurteil vollstreckt werden soll oder nicht.
Das türkische Parlament verabschiedete seit seiner Gründung (23.April 1920) bis zur Verfassung von 1961 7.478 Gesetze, in der provisorischen Periode der Verfassung von 1961 351, in der Periode der Verfassungen von 1961 und 1982 bis zum Mai 2000 4.565 Gesetze. 29 mal befugte das Parlament mit einem Gesetz den Ministerrat mit der Verabschiedung von Gesetzen. Der Ministerrat faßte insgesamt 596 Beschlüsse, die als Gesetz gelten.
Die Exekutive
Die Exekutive besteht aus dem Staatspräsidenten und dem Kabinett. Die Verwaltung ist laut Verfassung Teil der Exekutive. Hier sind einige Anstalten erwähnt, die als Verfassungsorgan gelten: die türkische Radio- und Fernsehanstalt (TRT), Nachrichtenagenturen, der "Hohe Rat für Kultur, Sprache und Geschichte" oder das "Kulturamt" zählen zu diesen Einrichtungen.
Der Staatspräsident
Der Staatspräsident steht an der Spitze des Staates. Mit diesem Titel vertritt er die Einheit der Türkei und der türkischen Nation. Der Staatspräsident wird mit Zweidrittel-Mehrheit der Abgeordnetenzahl in geheimer Wahl unter Kandidaten gewählt, die über 40 Jahre alt sind, eine Hochschule absolviert haben, Abgeordnete sind oder die Bedingungen für die Wahl als Abgeordneter erfüllen. Die Amtszeit des Staatspräsident beträgt sieben Jahre. Der Staatspräsident muß nach seiner Wahl aus seiner Partei austreten und seine Mitgliedschaft im Parlament beenden. Niemand kann zweimal zum Staatspräsiden- ten gewählt werden. Bei seiner Amtsübernahme legt der Staatspräsident einen Eid ab, dessen Text in der Verfassung steht.
Der Staatspräsident achtet darauf, daß die Verfassung befolgt wird und die staatlichen Organe koordiniert und korrekt arbeiten. Der Staatspräsident hat sowohl in der gesetzgebenden als auch vollziehenden Gewalt und in der Rechtsprechung Pflichten und Befugnisse. Im Rahmen seiner Aufgaben im Bereich der Legislative kann der Staatspräsident in eigenem Ermessen das Parlament zusammenrufen, Gesetze veröffentlichen, gegebenenfalls Gesetzesentwürfe erneut an das Parlament zurückschicken, den Vorschlag einer Verfassungsänderung zur Volksabstimmung vorlegen, bei Verdacht des Verstoßes gegen die Verfassung von Gesetzen, gesetzeskräftigen Beschlüssen oder der Satzung des Parlaments Klage beim Verfassungsgericht erheben und unter bestimmten Bedingungen die Wiederholung von Parlamentswahlen beschließen.
Die Befugnisse des Staatspräsidenten im Bereich der Exekutive sind ziemlich weitgehend. Er ernennt den Ministerpräsiden ten und auf Vorschlag des letzteren die Minister, schickt die Vertreter der Türkei ins Ausland, empfängt die ausländischen Vertreter in der Türkei und bestätigt und veröffentlicht die internationalen Abkommen. Er hat den Vorsitz im Nationalen Sicherheitsrat und bei Bedarf auch im Kabinett, unterschreibt die Beschlüsse der Regierung, erteilt gegebenfalls Amnestien und ernennt oder wählt die Mitglieder der Kontrollorgane des Staates und des Hochschulrates und ernennt die Rektoren der Universitäten. Seine Aufgaben in der Rechtsprechung sind mit der Wahl von Mitgliedern von hohen Gerichten begrenzt.
Im Teil der Verfassung über den Staatspräsidenten werden zwei Anstalten erwähnt: das Generalsekretariat des Staatspräsidiums und der Staatliche Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat überprüft, ob die politische Führung der Justiz entspricht und bemüht sich um regelmäßige und effektive Tätigkeiten seitens der politischen Führung sowie um deren Erweiterung. Die Streitkräfte und Rechtsorgane gehören nicht zum Aufgabenbereich des Staatlichen Aufsichtsrates
Der Ministerrat
Der Ministerrat besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern. Der Ministerpräsident wird unter den Abgeordneten vom Staatspräsidenten ernannt. Die Minister werden vom Ministerpräsidenten unter den Abgeordneten oder den Personen, die die Bedingungen für die Wahl zum Abgeordneten erfüllen, gewählt und vom Staatspräsidenten ernannt. Die Minister können gegebenenfalls auf Vorschlag des Ministerpräsdenten vom Staatspräsidenten ihrer Ämter enthoben werden.
Nach der Bildung des Kabinetts wird das Programm im Parlament verlesen und zur Vertrauensabstimmung vorgelegt.
Die Regierung beginnt mit ihren Arbeiten, nachdem das Parlament ihr das Vertrauen ausgesprochen hat. Der Ministerrat ist gemeinsam für die allgemeine Politik verantwortlich. Die Gründung oder Schließung von Ministerien, die Aufgaben, Befugnisse und die Organisationsstrukturen der Ministerien werden durch Gesetze bestimmt. Jedes Ministerium verfügt über ein eigenes seine Organisation betreffendes Gesetz und eigene Aufgaben.
Im Teil der Verfassung über das Kabinett wird auch der nationalen Verteidigung Platz eingeräumt. In diesem Teil werden Organisationen wie die Oberkommandantur, der Generalstab und der Nationale Sicherheitsrat erwähnt. Der Nationale Sicherheitsrat tritt unter Leitung des Staatspräsidenten unter Teilnahme des Ministerpräsidenten, des Generalstab schefs, des Verteidigungs, Innenund Außenministers, der Kommandanten für Heer, Marine und Luftwaffe und des Kommandanten der Gendarmerie zusammen. Der Nationale Sicherheitsrat faßt Beschlüsse zur Bestimmung und Umsetzung der nationalen Sicherheitspolitik und leitet diese Beschlüsse dem Ministerrat weiter. Beschlüssen des Sicherheitsrates über Maßnahmen zum Schutz der Existenz und Unabhängigkeit und Einheit des Landes und zur Wahrung der Ordnung und Sicherheit in der Gesellschaft räumt das Kabinett Vorrang ein.
Die Staatspräsidenten der Republik Türkei
Die Verwaltung
Die Verwaltung ist hinsichtlich der Gründung und Aufgaben ein Ganzes und wird durch Gesetz geregelt. Die Gründung und Aufgaben der Verwaltung beruhen auf der zentralen und kommunalen Verwaltung. Die zentrale Verwaltung umfaßt in der Türkei die Bezirke, Kreisstädte, Kreise und Dörfer. Die kommunalen Verwaltungen betreffen die Provinzsonderver-waltungen, Stadtverwaltungen und Dörfer. Hier handelt es sich um öffentliche Körperschaften, die zur Deckung der gemeinsamen Bedürfnisse der Einwohner von Bezirken, Ortschaften und Dörfern arbeiten und deren Beschlußorgane von den Wählern gewählt werden.
Die Gerichtsbarkeit
In der Türkei sind unabhängige Gerichte und hohe Rechtsorgane mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit befugt. Der Teil der Verfassung über die Gerichtsbarkeit beruht im Rahmen des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit auf der Unabhängigkeit der Gerichte und Richter und auf dem Vertrauen gegenüber den Richtern. Die Garantie für Menschenrechte und Freiheiten erfolgt im Rahmen der Freiheit nach Einklagung seines Rechts. Die Gerichtsverhandlungen finden von Ausnahmefällen abgesehen öffentlich statt.
Es gelten das Prinzip der Legalität bei Verbrechen und ihrer Bestrafung, das Prinzip der Unschuldigkeitsvermutung und das Prinzip, daß die Strafverantwortung personengebunden ist. Jeder hat die Freiheit, vor einem Richter nach seinem Recht zu suchen.
Funktionell ist in der Verfassung das Rechtssystem in drei Gruppen aufgeteilt: in die ordentlichen Gerichte, in die Verwaltungsgerichte und in die Sondergerichte. Die ordentlichen Gerichte und Verwaltungsgerichte haben zwei Instanzen. Die in der Verfassung erwähnten Sondergerichte sind die Militärgerichte und die Staatssicherheitsgerichte. 1999 wurde Paragraph 143 der Verfassung dahingehend geändert, daß das Gericht ausschließlich aus zivilen Richtern und Staatsanwälten besteht. Eine weitere Veränderung erfolgte in Paragraph 125 der Verfassung, aufgrund der im Falle von Uneinstimmigkeiten bei Konzessionsverträgen mit der öffentlichen Hand ein neues internationales Schiedsgerichtverfahren ermöglicht wurde.
Das Verfassungsgericht, Kassationsgericht, der Staatsrat, das militärische Kassationsgericht, das militärische Oberverwaltungsgericht und das Schiedsgericht zählen zu den hohen Gerichten, die im Teil der Gerichtsbarkeit in der Verfassung erwähnt werden. Der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte sowie der Rechnungshof sind zwei Institutionen mit speziellen Aufgaben, die auch in der Verfassung erwähnt werden.