Nur einige Jahre nachdem die Gebrüder Louis und Auguste Lumière aus Frankreich Ende 1885 in Paris ihre ersten kinematographischen Vorstellungen gaben, kam die Filmkunst auch in die Türkei. Da die Regierungen der "Partei für Einheit und Fortschritt" auf propagandistische Aktivitäten ein großes Gewicht legten, haben sie dafür gesorgt, daß die Filmproduktionen in die Hände des Staates gelangten. Der 1914 von Fuat Uzkınay gedrehte Dokumentarfilm "Der Abbruch des russischen Mahnmals in St. Stefano" mit einer Länge von 150m gilt als der erste türkische Film. Zu den ersten Filmen gehört auch der 1914 begonnene und erst 1919 zu Ende gedrehte Streifen "Die Hochzeit des Himmet Ağa". Die Filme dieser Zeit betrafen entweder Nachrichten über den Ersten Weltkrieg oder Filme über bestimmte Themen. Keiner dieser Filme ging jedoch über die Qualität eines Theaterfilms hinaus.

Der Theaterschauspieler Muhsin Ertuğrul, der 1922 die erste private Filmfirma gründete und von dieser Zeit an als Filmregisseur tätig war, hat bis in die 50'er Jahre dem türkischen Film seinen Stempel aufgedrückt. Zu den wichtigsten der 30 Filme, bei denen Muhsin Ertuğrul im Verlauf seines Lebens Regie geführt hat, gehört der Film "Ein Hemd aus Feuer" (1923), in dem er den Befreiungskrieg zum Thema machte und zum erstenmal türkische Schauspielerinnen einsetzte, der erste türkische Sprechfilm "Die Gassen von İstanbul" (1931) oder "Eine Nation erwacht". In dieser bis in die 50'er Jahre andauernden Zeit, in der pro Jahr gerade ein oder zwei Filme gedreht wurden, war der Einfluß des Theaters auf den Film noch immer deutlich zu sehen.

Filmproduktionen, in denen man sich vom Einfluß des Theaters befreien konnte und zu einer wirklichen Sprache des Filmes fand, begannen um die 50'er Jahre unter dem Einfluß des "dichterischen Realismus" im französischen Film und der "schwarzen Serie" des amerikanischen Films und einer Kanalisation dieser Einflüsse in eine türkische Identität. Hier sind in erster Linie die Arbeiten von Lütfü Akad zu nennen. In dieser bis in die 60'er Jahre andauernden Epoche stieg die jährliche Produktion schon auf 60 Filme. Nachdem die Verfassung von 1961 inkraft trat, erlebte der türkische Film eine erneute Belebung. Die unter der Regie von Metin Erksan, Halit Refiğ, Ertem Göreç, Duygu Sağıroğlu, Nevzat Pesen oder Memduh Ün gedrehten Filme bemühten sich um gesellschaftliche Relevanz. Mit den ausgewählten Themen, der Typisierung und Erzählform wurden äußerst charakteristische und erfolgreiche Filme produziert. So kam aus der Reihe dieser Filme der Film "Sommer ohne Wasser" (1964) von Metin Erksan hervor, der das tatsächliche Dorfleben aufzeigte und mit seinem bei den Filmfestspielen in Berlin erzielte Preis der erste türkische Film war, der auf internationaler Plattform erfolgreich war. Die Politisierung in der zweiten Hälfte der 60'er Jahre hat auf die gesellschaftliche Bezogenheit und auf den Realismus der Filme einen negativen Einfluß. Die jährliche Filmproduktion stieg nun auf 150, ja sogar 200, aber der Erolg in der Quantität hatte kein Gegenstück in der Qualität. Es kam zu einer Inflation der Filme. Mit den 1968 beginnenden Fernsehsendungen nahm diese Inflation gigantische Ausmaße an.

Eine neue Generation von Regisseuren, die von den ernsten Filmen von Lütfü Akad beeinflußt wurden und ökonomische und gesellschaftliche Strukturen darzustellen versuchten, entwickelte sich nach 1970; zu nennen sind hier Yılmaz Güney, Süreyya Duru, Zeki Ökten, Şerif Gören, Fevzi Tuna, Ömer Kavur, Özcan Arca, Korhan Yurtsever oder Ali Özgentürk. Diese jungen Regisseure, die die politische, soziale und kulturelle Struktur ihrer Zeit darzustellen versuchten, hielten ihre Filme auf einem hohen künstlerischen Niveau und begannen Filme zu produzieren, die sowohl im Inland als auch im Ausland Gefallen fanden und erfolgreich waren. Nach 1980 konnten sich die Beziehungen zwischen Filmindustrie und Staat zu einem gewissen Ausmaß weiterentwickeln, was dazu führte, daß das türkische Kino auf internationaler Ebene weiter von sich reden machte. In den 90'er Jahren dominieren Filme mit psychologischen, gesellschaftlichen oder frauenrechtlichen Themen. Der türkische Film ist also in erster Linie nicht ein Mittel zur Unterhaltung, sondern eine Gattung mit kultureller Tiefe.

Von der Qualität her sind die 90'er Jahre die erfolgreichsten Jahre des türkischen Films. Zu verdanken ist diese Entwicklung der neu eingeführten akademischen Ausbildung an den Universitäten im Bereich Film, den bewußten und erfahrenen Regisseuren, den richtig ausgewählten Schauspielergruppen, den Beschlüssen und Hilfen des Staates zur Förderung des Kinos, der Konkurrenz mit dem Fernsehen und den Erfolgen auf der internationalen Arena.

Kinos und ihre Zuschauer

Seit den 50'er Jahren versucht der türkische Film breite Massen zu erreichen. Die Filme dieser Zeit thematisieren nicht Probleme, sondern angenehme Themen. Die Kinofilme hatten den Zweck, die Zuschauer zu unterhalten. Ein Grund für den Anstieg der Flmproduktion war ein Anstieg der Kinos insbesondere bei den sommerlichen Freilichtkinos. Aber die gesellschaftlichen Entwicklungen der 70'er Jahre und die zunehmende Verbreitung des Fernsehens führten dazu, daß das Interesse am Genre des Unterhaltungsfilms abnahm. Als dann nach 1980 das Video den Stamm der Kinobesucher vor das häusliche Fernsehen zog, mußten viele Kinos schließen, und der türkische Film stand vor einer ernsthaften finanziellen Krise. Nun wandte sich der Zuschauer wie auch in den übrigen Ländern Europas den Hollywood-Filmen zu.

Obwohl dieser Einfluß heute immer noch intensiv anhält, haben nach 1980 auch psycho-soziale und psycho-kulturelle Filme, und nachfolgend auch sozio-kulturelle Filme großen Erfolg bei breiten Volksmassen, und insbesondere bei der jungen Generation von Studenten. Mit Hilfe des Staates und Unterstützung des Fonds der europäischen Filmunion "Eurimages" steigt die Anzahl türkischer Filme mit europäischer Beteiligung. Bei der Zahl der Kinobesucher ist wieder ein augenfälliger Anstieg zu verzeichnen.

Der junge türkische Film

Der türkische Film wurde nach 1985 vor allem von jungen Menschen als beeindruckende Kunstgattung angesehen. Vom Kulturministerium veranstaltete Szenarien-Wettbewerbe, Beiträge zur Förderung, Aktivitäten innerhalb der Universitäten vor allem im Bereich des Kurzfilms haben zur Herausbidlung einer jungen Generation des türkischen Films geführt. So haben einige Filme sowohl heimische als auch ausländische Preise erhalten und auf diese Weie die Bedeutung des zeitgenössischen türkischen Films unterstrichen; zu nennen sind hier "Gizli Yüz" (Das geheime Gesicht) von Ömer Kavur, "Piyano Piyano Bacaksız" (Klavier ohne Beine) von Tunç Başaran, "İmdat ile Zarife" (İmdat und Zarife) von Nesli Çölgeçen, "Hoşçakal Yarın" (Auf Wiedersehen Morgen!) von Reis Çelik, "Hamam" (Das Bad) und "Harem Suare" (Abendgesellschaft im Harem) von Ferzan Özpetek, "Eşkiya" (Der Bandit) von Yavuz Turgul, "Üçüncü Sayfa" (Die dritte Seite) von Zeki Demirkubuz, "Propaganda" von Sinan Çetin, "Salkım Hanımın Taneleri" (Die Stücke von Frau Salkım) von Tomris Giritlioğlu, "Mayıs Sıkıntısı" (Die Sorgen des Mais) von Nuri Bilge Ceylan und "Güneşe Yolculuk" (Reise zur Sonne) von Yeşim Ustaoğlu. Der junge türkische Film, der sich auf internationaler Bühne behaupten konnte, konzentriert sich auf psycho-soziale, kulturelle oder historische Themen und hinterfragt Vergangenheit und Gegenwart, und hat mit diesem Charakter ein zukunftsträchtiges Fundament gewonnen.

Filmförderung

Wie auch für die anderen Kunstzweige hat in der Türkei auch das Kulturministerium eine Pionierrolle bei der Weiterentwicklung der Filmkunst übernommen. 1978 wurde innerhalb des Ministeriums für Kultur die Abteilung für Film gegründet und ein Sozialversicherungsgesetz für die im Filmbereich tätigen Künstler erlassen. Im Rahmen des Kulturministeriums wurden mit dem Gesetz Nr. 3257 einen Unterstützungsfond für Film und Musik betreffend bis heute viele Kurzfilme, Dokumentarfilme oder lange Spielfilme und die Durchführung von nationalen Filmfestspielen unterstützt. Das Kulturministerium, das seit 1990 Mitglied von Eurimages ist, vermittelt auch Unterstützungsmöglichkeiten aus Europa ist auch dabei aktiv, türkische Filme auf internationalen Filmfestspielen wie den Oscar oder in Cannes aufzuführen und bekannt zu machen.