Als ein Land, in dem alle Widersprüche zwischen Globalisierung und Traditionen herrschen, bildet die Türkei ein interessantes Beispiel für die Lage der Frau in der Gesellschaft. Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung besteht aus Muslimen. Obwohl Frauen die wichtigsten Ämter in der Staats führung auf verschiedenen übernehmen, bestehen gleichzeitig in der Erziehung, Gesundheit und auf dem Arbeitsmarkt sowohl zwischen Männern und Frauen als auch unter Frauen aus unterschiedlichen Schichten keine gänzliche Gleichberechtigung. Doch im Laufe der Jahre hat sich die Lage der Frau in der Gesellschaft erheblich verbessert. Gegen rechtliche Regelungen, die im Prinzip gegen die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verstoßen, wurden in den letzten Jahren wichtige Fortschritte verzeichnet. Es wurden entsprechende Institutionen gegründet und man änderte einige Gesetze. Es wurden mehrere sogenannte Zufluchtshäuser für Frauen, 13 Universitätsinstitute für Frauenforschung und eine Frauenbibliothek eröffnet; vom Staat und von Bürgerinitiativen wurden mehrere Projekte verwirklicht. Vor allem entwickelte sich eine bestimmte Sensibilität gegenüber dem Thema die Diskriminierung der Frauen betreffend, und dieses Thema wurde als ein öffentliches Problem zu einem Diskussionsthema.
Die Türkei nahm an allen wichtigen internationalen Frauenkonferenzen teil, unterzeichnete mehrere internationale Abkommen, die direkt oder indirekt die Frauen betreffen. Die Türkei nahm an der lV. Weltfrauenkonferenz, die 1995 in Peking zusammentraf, mit einer großen Frauendelegation teil und akzeptierte ohne jegliche Einwände die auf dieser Konferenz beschloßene Aktionsplattform. Die türkische Staatsministerin versprach im Namen der Republik Türkei die Urbanisierung der Frauen in der Türkei bis 2000 auf 100% zu erhöhen, die Todesfälle bei Müttern und Kindern um 50% zu senken, die allgemeine Schulpflicht auf acht Jahre zu verlängern und alle dem "Kommuniqué die Verhinderung jeglicher Diskriminierung der Frau betreffend" (CEDAW) widersprechenden Mißstände in der Türkei aufzuheben. Tatsächlich wurde im Rahmen dieser Zusicherung 1997 die 8-jährige Schulpflicht eingeführt und dem CEDAW widersprechende Zustände beseitigt.
Institutionalisierte nationale Aktivitäten
In der Politik und Planung wurde das Frauen-Thema zum ersten mal mit dem 5. Fünfjährigen Entwicklungsplan (1985-1990) als ein eigenständiges Problem akzeptiert. 1990 wurde als eine nationale Institution die "Generaldirektion den Status der Frauen sowie ihre Probleme betreffend" gegründet. Dieses Amt wurde 1991 dem Ministerpräsidium unterstellt und arbeitet unter Leitung eines Staatsministers. Die Generaldirektion bemüht sich um die Wahrung und Entwicklung der Frauenrechte, um die Verstärkung der Rolle der Frauen im sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sowie um die gleichberechtigte Nutzung von Rechten, Chancen und Möglichkeiten.
Rechtliche Gleichstellung
Die türkische Verfassung sowie die türkischen Gesetze basieren auf dem Prinzip der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Mit der Übernahme des schweizerischen bürgerlichen Rechtes wurden in der Türkei die Frauen rechtlich den Männern gleichgestellt. Doch im Laufe der Zeit blieben einige Artikel des bürgerlichen Rechtes unzureichend.
Das Justizministerium beauftragte eine Kommission aus Experten für bürgerliches Recht zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes, in dem die von der Türkei unterzeichneten internationalen Abkommen sowie die Änderungen in der Familien-Gesetzgebung in den europäischen Ländern beachtet werden sollten. Die Kommission schloß ihre Arbeiten ab und veröffentlichte den das bürgerliche Gesetz modifizierenden Gesetzentwurf am 17. Februar 1998. Die wichtigsten Neuerungen in diesem Gesetz bestanden darin, daß das Heiratsalter für Frauen und Männer gleichermaßen auf 17 Jahre heraufgesetzt wurde, daß die Ehe sowohl von der Frau als auch vom Mann gemeinsam repräsentiert wurde, daß das Haus, in dem das Familienleben seinen Mittelspunkt hat, von beiden Ehepartner gemeinsam gewählt wird, daß die während der Ehe erworbenen Güter zur Hälfte beiden Partnern gehörten, Ehebruch keinen Strafbestand mehr darstellt, Frauen ihren Mädchennamen auch nach der Ehe weiter führen können und Frauen ohne die Erlaubnis ihres Mannes arbeiten können. Mit diesen Maßnahmen, die am 20. September 1999 ihren Abschluß fanden, haben sich auch einige Vorbehalte ergeben, die zuvor gegenüber der Gesetzgebung in der Türkei angesichts einiger Artikel des CEDAW-Abkommens bestanden hatten. Ferner wurden mit dem Ziel der Verhinderung von Gewalt innerhalb der Familie, was inzwischen in der ganzen Welt ein schwerwiegendes Problem geworden ist, einige gesetzliche Korrekturen vorgenommen, die den Charakter von Reformen haben. Das Gesetz Nr. 4320 zum Schutz der Familie regelt Schutzbestimmungen, die zugunsten der Betroffenen von einem Friedensrichter erlassen werden, der nach Auftrag des Staatsanwalt tätig wird, nachdem sich an letzteren Frauen oder Kinder, die unter Gewalt in der Familie zu leiden hatten, gewendet hatten. Das Gesetz regelt auch die Strafen, die bei Nicht-Beachtung von solchen Schutzbestimmungen erteilt werden. Es sieht vor, daß der Gewalt verübende Ehepartner für eine bestimmte Zeit Kontaktverbot erhält, damit die übrigen Familienmitglieder zu Hause und am Arbeitsplatz in Ruhe gelassen werden; bei Verletzung dieser Schutz bestimmung sind Gefängnisstrafen von 3-6 Monaten vorgesehen.
Frauen in Ausbildung und Beruf
Obwohl mit dem Ausbildungsgesetz, das Frauen und Männer die gleichen Rechte zuerkennt, und bei der Urbanisierung der Frauen wichtige Fortschritte verzeichnet wurden, liegt die Analphabetenquote bei den Frauen immer
noch höher als bei den Männern. Ein drittel der Frauen in der Türkei sind heute noch Analphabeten. Die türkische Regierung versicherte bei der Weltfrauenkonferenz in Peking, daß bis 2000 alle Frauen im Lande lesen und schreiben lernen werden. So nahmen im Rahmen des "Projektes zur Fortbildung von jungen Mädchen und Frauen" bis Ende 1999 231.000 Frauen an Kursen teil. Mit der Erhöhung der allgemeinen Schulpflicht 1997 von fünf auf acht Jahre wurde ferner unter Garantie genommen, daß Mädchen von ihrem Recht auf Erziehung im sekundären Ausbildungsbereich der Gebrauch machen.
Auch die Teilnahme der Frauen am Hochschulstudium stieg im Laufe der Zeit; Frauen machen ein drittel der Studenten aus. Daß in einem mehrheitlich muslimischen Land, in dem bei den gesellschaftlichen Beziehungen immer noch patriarchalische Werte dominant sind, die Gleichberechtigung von Frau und Mann akzeptiert ist, hat die Türkei zum Großteil dem laizistischen Erziehungssystem zu verdanken.
Die geschlechtliche Diskriminierung in der Ausbildung beeinflußt auch die Arbeitsmöglichkeiten der Frauen direkt. Zwar herrscht in der Türkei die öffentliche Meinung, daß die Teilnahme der Frauen am Arbeitsprozeß von großer Bedeutung ist, aber praktisch halten noch die betreffenden Probleme an. Die Teilnahme der Frauen am Arbeitsleben ist immer noch gering; nach den Daten 1998 betrug sie rund 28%. Außer der Landwirtschaft und den ländlichen Sektoren konzentrieren sich die arbeitenden Frauen in den für Frauen als geeignet angesehenen Sektoren wie Textilien oder Nahrungsmittel. Die Arbeitslosigkeit unter den Frauen in den Städten ist doppelt so hoch wie die unter Männern. Wir können jedoch von einer positiven Korrelation zwischen der Ausbildung von Frauen und ihrer Anstellung reden. So besteht zwischen dem Anteil an arbeitlosen Frauen mit Berufsausbildung in den Städten mit 28,6% und dem entsprechenden Anteil bei den Männern mit 30% eine Parallelität. Wenn man zudem einzelne Sektoren betrachtet, sieht man z.B., daß berufstätige Frauen an Universitäten, in der Medizin, in der Zahnmedizin und in der Justiz ausreichend vertreten sind. Eines der Hindernisse bei der Anstellung der Frauen in bestimmten Bereichen ist eine mögliche Schwangerschaft und ihre Verantwortung bei der Kinderpflege. Bei den Gesetzen, die den Geburten- und Kinderurlaub regeln, sind weitere Veränderungen vorgesehen. Danach werden Angestellte und Beamte gleichgestellt und der Kinderurlaub für beide Elternteile möglich werden.
Frauen und Gesundheit
Von einer Diskriminierung auf Geschlechterbasis im Gesundsheitwesen in der Türkei kann weder von den Gesetzen noch von der Praxis her die Rede sein. Nach der Weltkonferenz zur Bevölkerungsentwicklung 1994 änderte das türkische Gesundheitsministerium seine Politik hinsichtlich der Gesundheit der Frauen und betrachtete dieses Thema nicht allein als ein Problem der Fortpflanzung und Familienplanung, sondern beachtete in einer ganzheitlichen Sichtweise auch die psychische, gesellschaftliche und physische Gesundheit der Frauen und Mädchen. Nach der Weltfrauenkonferenz in Peking startete das türkische Gesundheitsministerium eine neue Initiative zur Teilnahme der Männer an der Familienplanung.
Frauen in der Politik
Der Gründer der Türkischen Republik Atatürk glaubte an eine gänzliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Aufgrund seiner Initiativen wurden den Frauen in kurzer Zeit alle politischen Rechte, die die Grundlage des bürgerlichen Rechts darstellen, anerkannt. In der Türkei nahmen die Frauen 1930 an den Bürgermeisterwahlen teil. 1934 erhielten sie das aktive und passive Wahlrecht bei den Abgeordnetenwahlen. Vor 1934 verfügten nur in 28 Ländern Frauen über das aktive und passive Wahlrecht, und nur in 17 dieser Länder gab es Abgeordnete. Wenn man bedenkt, daß in Frankreich die Frauen dieses Recht erst 1944 und in Italien 1945 erhalten haben, zeigt sich, daß die Türkei in diesem Bereich vielen Ländern voraus ist.
Frauen waren in der Türkei im Parlament am stärksten 1935 vertreten. Die 18 Abgeordneten machten 4,6% der Parlamentarier aus. Doch mit dem Übergang zum Mehrparteiensystem 1946 ging die Zahl der Abgeordnetinnen zurück. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Frauen die aktiv an der Politik teilnehmen, erhöht. Aber trotzdem liegt die Zahl der Frauen weit unter der Zahl der Männer. Nach den letzten allgemeinen Wahlen vom 18. April 1999 gab es unter den 550 Abgeordneten der "Großen Türkischen Nationalversammlung", dem türkischen Parlament, 22 bzw. 4% Frauen.
Frauen waren in der Türkei im Parlament am stärksten 1935 vertreten. Die 18 Abgeordneten machten 4,6% der Parlamentarier aus. Doch mit dem Übergang zum Mehrparteiensystem 1946 ging die Zahl der Abgeordnetinnen zurück. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Frauen die aktiv an der Politik teilnehmen, erhöht. Aber trotzdem liegt die Zahl der Frauen weit unter der Zahl der Männer. Nach den letzten allgemeinen Wahlen vom 18. April 1999 gab es unter den 550 Abgeordneten der "Großen Türkischen Nationalversammlung", dem türkischen Parlament, 22 bzw. 4% Frauen.
Die Frauenbewegung. In den 80'er Jahren, als sich die Frauenbewegung über die ganze Welt verbreitete, haben auch in der Türkei Initiativgruppen, die sich mit Frauenfragen beschäftigen, an Bedeutung gewonnen. Sie haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, als es darum ging, im Zivil und Strafrecht gegen die Frauen gerichtete Bestimmungen zu korrigieren und trugen auch aktiv zur Sensibilisierung der Gesellschaft in Frauenfragen bei. In den letzten Jahren war ferner ein Anstieg bei den Zentren, die Frauen als Opfer von Gewalt zur Seite standen, und bei den Vereinen, die ein stärkeres Engagement der Frauen in der Politik bezweckten, zu verzeichnen. Zu den landesweit aktiven 150 Fraueninitiativen gehören die Stiftung zur Stärkung der Stellung der Frau, die Stiftung für Frauenzufluchtsorte 'Violettes Dach', der Verein zum Schutz der Frauenrechte, der Verein zur Unterstützung und Ausbildung von Frauenkandidaten, u.a.