Öffentlich rechtliche Einrichtungen

Von der Regierung unabhängige öffentlich-rechtliche Organisationen, ein Merkmal der Demokratisierung, haben sich besonders in den letzten Jahren in der Türkei sehr rasch entwickelt und verbreitet. Die Zahl von zivilen Organisationen wie Stiftungen, Vereine und Bürgerinitiativen, die freiwillig gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, erhöht sich ständig. Ein Großteil dieser Organisationen ist entweder international tätig oder arbeitet mit Partnerorganisationen im Ausland zusammen.

Stiftungen

In vielen Gesellschaften wird das Verlangen von Menschen, anderen zu helfen oder Güter mit ihnen zu teilen, durch Stiftungen realisiert. Auch in der Türkei gibt es mehrere auf Schenkungen und Spenden basierende und wohltätigen Zwecken dienende Stiftungen, in denen mit Hilfe privaten Kapitals öffentliche Dienstleistungen oder Forschungen in den Bereichen Erziehung, Wissenschaft, Medizin, Gesundheit oder Maßnahmen der sozialen Wohltätigkeit unterstützt werden.

Die Stiftungen entwickelten sich in der türkischen Geschichte während der seldschukischen Periode und erlebten als Institution in der osmanischen Zeit ihre Blütezeit. Nach historischen Aufzeichnungen wurde 1048 in Anatolien die erste Stiftung gegründet. Die in der osmanischen Zeit tätigen ca. 100.000 türkisch-islamischen Stiftungen erreichten auch in der Kunst einen Höhepunkt bei ihren Aktivitäten und leisteten für das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben der Gesellschaft wichtige Beiträge. Sogar im heutigen Anatolien trifft man an verschiedenen Stellen jahrhunderte alte Stiftungswerke an.

Nach der Proklamation der Republik Türkei wurden alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Stiftungen der Generaldirektion für Stiftungen übergeben, die wiederum dem Ministerpräsidium unterstellt war. Mit dem 1935 inkraft getretenen "Gesetz über Stiftungen" wurden bei der Verwaltung der Stiftungen radikale Änderungen vorgenommen. Die Generaldirektion für Stiftungen, die zugleich eine Körperschaft ist, trägt gegenwärtig die Aufgaben, das Eigentum der Stiftungen zu verwalten, architektonische und historische Stiftungswerke zu schützen und die Stiftungen im Rahmen ihrer Ziele zu unterstützen. Unter der Generaldirektion für Stiftungen stehen heute 9.289 historische Stiftungs-Monumente und 52.231 Grundstücke; ihr angeschlossen sind ferner 317 Stiftungen, die von eigenen Besitzern verwaltet werden, rund 5.700 Stiftungen aus der osmanischen Zeit, die von der Direktion verwaltet werden sowie 160 von griechischen, armenischen, jüdischen oder anderen Minderheiten gegründete Gemeinde- und Handwerker-Stiftungen. Gemäß Gesetz Nummer 903 übernimmt die Generaldirektion seit 1967 auch die Kontrolle der neu gegründeten Stiftungen.

In den ersten Jahren der Republik gab es sehr wenige Stiftungen. Durch staatliche Förderung sowie gesetzliche Regelungen stieg jedoch in den darauf folgenden Jahren die Zahl der Stiftungen. Besonders nach 1967, nachdem der Ministerrat über eine Steuerbegünstigung für Stiftungen entschied, und nach weiteren begünstigenden Regelungen in verschiedenen Steuergesetzen wurden Spenden an Stiftungen häufiger. Während zwischen 1926 und 1967 nur 70 Stiftungen tätig waren, sind im Mai 2000 4.534 Stiftungen aktiv.

Die Mehrzahl der Stiftungen, die eine breite Palette von Gründungszwecken haben, sind in den Bereichen soziale Hilfe, Erziehung und Gesundheit tätig. In den letzten Jahren stieg jedoch auch die Zahl der Stiftungen, die in Bereichen wie Wissenschaft, Technologie, Forschung, Demokratie, Menschenrechte, Umweltschutz usw. arbeiten. Die Stiftung für moderne Erziehung, die Türkische Stiftung für Demokratie, die Türkische Stiftung für Menschenrechte, die Stiftung zur Stärkung der körperlich Behinderten, die Zeitgenössische Stiftung für Frauen und Jugend, die Stiftung für den Kampf gegen Erosion, für Bewaldung und für den Schutz der natürlichen Werte (TEMA) sowie die Stiftung für wirtschaftliche und soziale Studien (TESEV) sowie die Stiftung für Sozialdemokratie (SODEV) zählen zu wichtigen Stiftungen der Türkei.

Vereine

In der Türkei hat jeder Bürger das Recht, ohne vorherige Genehmigung einen Verein zu gründen. Vereine werden als Folge der sozio-ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft betrachtet. In den ersten Jahren der Republik wurden Vereine mit Unterstützung und Führung des Staates gegründet. Mit den Entwicklungen in der Wirtschaft sowie den gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen erhöhte sich auch die Zahl der durch freiwillige Personen gegründeten Vereine und ihrer Vereinsmitglieder. Gegenwärtig gibt es in der Türkei rund 72,800 Vereine wie Sport-, Kultur-, Gesundheits-, soziale Hilfe-, Frauen- und Handwerkervereine. Zwar liegt die Mitgliederzahl der Vereine in Großstädten wie İstanbul, Ankara und İzmir im Durchschnitt höher, aber in den letzten Jahren steigt auch in ländlichen Gebieten das Interesse der Bevölkerung an verschiedenen Vereinen. Mitgliedsbeiträge und Spenden machen einen bedeutenden Teil der Einkommen der Vereine aus. Weitere Einkommen erzielen die Vereine durch Veröffentlichungen, Lose, Konzerte, Ausstellungen usw.

Bürgerinitiativen

Bürger kommen für bestimmte Ziele zusammen, unternehmen verschiedene Aktivitäten und vereinigen sich auf bestimmten Ebenen. Die im Rahmen der demokratischen Regeln sowie des Versammlungsrechtes zur Lösung von Problemen der Gesellschaft zusammenkommenden Bürger erzielen oft auf regionaler Ebene, aber manchmal auch landesweit Erfolge. Die Regierungen versuchen diese kooperative und konstruktive Sensibilität in der Gesellschaft zu unterstützen und erforderliche Maßnahmen zu ergreifen. So sind in den letzten Jahren viele Initiativen wie die sogenannte "Ruhe-Bewegung", die Frauen-Plattform "8. März" oder die Donnerstags-Gruppe, welche alle im Bereich Frauen arbeiten, einflußreicher geworden. Bürger, die aufgrund verschiedener Themen wie Kampf gegen Drogen und Alkohol, Umweltschutz, Familienschutz, "Aufruf für ein starkes Land" usw. zusammenkommen und die vorhandenen Probleme in den betreffenden Themen zu lösen versuchen, tragen auch wichtige Beiträge dazu, daß in der Gesellschaft das Bewußtsein für zivile Organisationen verbreitet wird.